DAS LOCKED-IN-SYNDROM (LIS) ist eine seltene Erkrankung, die eine 98-prozentige Lähmung des Körpers, bei vollem Bewusstsein beinhaltet. Intaktes Gehör und bewegliche Augenlider sind die einzigen Kontaktmöglichkeiten mit dem Patienten.
Wird das erkannt, ist die Diagnose „Locked-In-Syndrom“ richtig gestellt. Dies ist häufig nicht der Fall.
Adäquate Sofortbehandlungen und Therapien werden somit verhindert.
Wir wollen hierüber fachlich aufklären. Patienten betreuen, Angehörigen beistehen, Ärzten und Pflegepersonal Hilfe anbieten.
DAS LOCKED- IN-SYNDROM
Das Locked-In-Syndrom ist gekennzeichnet durch eine Lähmung fast der gesamten willentlich kontrollierten Muskulatur bei voll erhaltenem Bewusstsein. Die Lähmung macht meist nicht nur das selbständige Atmen, sondern vor allem auch die Kommunikation unmöglich, da auch Mimik- und Mund- und Schlundmuskulatur betroffen sind. Typischerweise sind vertikale Augenbewegungen und Lidschlag erhalten, was neben einer speziellen Hirnstrommessung zur Kommunikation genutzt werden kann. Die Betroffenen können sehen, hören und fühlen (auch Schmerzen!), sie können klar denken; aber sich nicht äußern – deswegen der Begriff des „Eingeschlossenseins = Locked–In“. Da fast alle unsere Äußerungen und Reaktionen von Muskeltätigkeit abhängig sind (sowohl das Sprechen und die Mimik als auch alle Bewegungen wie z.B. die selbständige Umlagerung bei Druck oder Schmerzen), wird das Locked-In-Syndrom häufig mit einem Koma verwechselt, was aber etwas völlig anderes ist, da dabei vor allem das Bewusstsein gestört ist.
Um das Locked-In-Syndrom zu verstehen, muss man ein wenig vom Aufbau des Gehirns und seiner Funktionsweise wissen.
Wird ein Querschnitt durch das Gehirn abgebildet, so zeigen sich die Rinde (mit den Nervenzellen – der Volksmund spricht von den „kleinen grauen Zellen“) und die Bahnen, die die verschiedenen Hirnteile untereinander und mit dem restlichen Körper verbinden. Im Gehirn sind die verschiedenen Funktionen verschiedenen Orten zugeordnet, die aber nur sinnvoll arbeiten können, wenn sie miteinander verknüpft sind – eben über solche Bahnen. Der „Ort des Bewusstseins“ liegt in der Hirnrinde. Von dort müssen auch alle Bewegungsimpulse über die Bahnen zur Muskulatur geleitet werden. Die motorischen Bahnen laufen durch den vorderen Teil der sogenannten Brücke (Pons), einem Teil des Hirnstamms. Werden die motorischen Fasern in diesem Teil des Stammhirns zerstört – durch einen Tumor, durch einen Unfall, durch eine Entzündung oder am häufigsten durch eine Minderdurchblutung, dann gelangt die Information vom Hirn nicht mehr zur Muskulatur, sie kann daher nicht willentlich bewegt werden, obwohl das Hirn mit seinen Zellen völlig intakt sein kann und weiterarbeitet.
Man könnte sich in den meisten Fällen das Locked-In- Syndrom wie eine ganz hoch sitzende Querschnittslähmung vorstellen, die nur die motorischen, also die Bewegung steuernden Bahnen des gesamten Körpers betrifft. Auch bei einer Querschnittslähmung ist nicht das Gehirn betroffen, sondern nur die Leitungsbahnen (in diesem Fall im Rückenmark), so dass die Befehle die Muskulatur nicht erreichen und die Beine oder Beine und Arme (je nach Höhe der Rückenmarksverletzung) nicht bewegt werden können. Wie bei tiefsitzenden Querschnittslähmungen die Arme bewegt werden können, können viele Locked-In-Patienten die Augen und manchmal die Lider bewegen, weil die Bahnen sozusagen oberhalb der Schädigung der Leitungsbahnen für die Gesichts-, Schlund- und Rumpfmuskulatur abgehen.
Ursachen für Locked-In-Syndrom ähnliche Symptome können auch die MS (Multiple Sklerose) oder ALS (Amyotrophe Lateralsklerose ) und andere neurologische Erkrankungen sein. Meist liegt aber ein sogenannter Stammhirninfarkt – ein Schlaganfall mit Mangeldurchblutung vor allem im Bereich der motorischen Leitungsbahnen (in der Brücke) vor.
(Dr. Renate Richter)
Bilder: Jacqueline Janke
PFLEGEDIENSTE UND LIS
Nur 2% von uns überleben. Das sind ca. 12 Menschen in ganz Deutschland in einem Jahr.
Da wir so selten sind, weiß kaum oder eigentlich gar kein Pflegedienst über unser Krankheitsbild bescheid. Niemandem ist bekannt, wie wir funktionieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ich zu 99% nicht ernst genommen werde.
-Ich kann sprechen!-
Die meisten von uns erreichen diese Funktion nicht mehr.
Wir brauchen Verlässlichkeit, Routine, Pläne, Pünktlichkeit, damit uns das Gefühl von Stabilität gegeben wird. So wie Menschen mit geschulten, routinierten Handgriffen, die mitdenken.
Das Gefühl von Aufgehobenheit, Stabilität an seiner Seite zu haben und jemanden, der sich seiner Verantwortung bewusst ist und diese auch gerne trägt.
Alles andere macht uns schwach, saugt alles an Energie von uns ab, die wir zum atmen, essen, gehen, sprechen und denken benötigen.
Wenn der Pflegedienst nicht läuft, sich nicht um einen LIS-Erkrankten adäquat kümmert, besteht die Chance auf Weiterentwicklung und Fortschritt nicht.
Ja, es kann sogar zu großem Verlust von hart erkämpften Fähigkeiten (Schlucken, Sprechen, Gehen!) kommen, da man ständig Stress oder Reizüberflutung von nicht kompetenten Umsorgern ausgesetzt ist.
Somit ist es unumgänglich, sich sehr gut über LIS zu informieren und über die Person, die gepflegt werden möchte. Jeder von uns hat seine spezielle Geschichte, seine Ängste, seine individuellen Arten – ganz besonders wenn die Person nicht sprechen kann. Aber wir können alle Denken und uns mitteilen (Sprachcomputer!).
(J.Janke 2025)
Der Umgang mit einem LIS-Patienten (Locked-In-Syndrom), der gehen und sprechen kann,ist ein sehr spezieller Fall, denn das typische Locked-In-Syndrom ist durch eine fast vollständige Lähmung bei erhaltener Bewusstseinslage gekennzeichnet, oft nur mit Augenbewegungen als Kommunikationsmittel.
Hier sind ein paar Hinweise zum Umgang:
1. Respekt und Empathie zeigen
Diese Person hat eine extrem schwere neurologische Krise durchlebt. Auch wenn sie wieder sprechen oder gehen kann, ist vieles oft sehr anstrengend.
Rede die Person nicht wie ein „Wunder“ oder „medizinisches Phänomen“ an – sondern als Mensch mit Geschichte.
2. Kommunikation anpassen
Wenn Sprache möglich ist, trotzdem Geduld mitbringen: Das Sprechen kann langsamer, mühsamer oder kognitiv belastender sein.
Wenn das Gehen wieder möglich ist, ist es meist nicht so wie vorher – Stolpern, Schwäche oder Fatigue sind häufig.
(ausgesprochen Fah-tieg: bedeutet eine tiefe, anhaltende Erschöpfung, die sich nicht durch Schlaf oder Ruhe bessert. Es ist mehr als normale Müdigkeit – man fühlt sich oft wie „ausgelaugt“, sowohl körperlich als auch geistig.)
Typisch bei neurologischen Erkrankungen:
Bei Menschen mit neurologischen Erkrankungen (z.?B. nach einem Schlaganfall, bei Multiple Sklerose, Parkinson, oder auch beim Locked-In-Syndrom) ist Fatigue ein sehr häufiges Symptom. Merkmale von Fatigue: • Starke Erschöpfung, oft ohne klaren Grund
• Konzentrationsprobleme
• Gefühl von „bleierner Müdigkeit“
• Kein echtes „Auftanken“ durch Schlaf oder Pausen
• Oft schwankend – mal besser, mal schlimmer
Fatigue ist unsichtbar, aber sehr belastend – deshalb ist Verständnis und Rücksicht im Alltag wichtig. Wenn du mit einem Betroffenen arbeitest oder lebst, lohnt es sich, Pausen zu ermöglichen und Aktivitäten gut zu dosieren.
3. Selbstbestimmung fördern
• Frag, was die Person selbst tun möchte oder kann – nicht einfach übernehmen.
• Auch wenn jemand wieder körperlich mehr kann, heißt das nicht, dass keine Barrieren mehr existieren.
4. Interdisziplinär denken
• Oft sind Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und psychologische Begleitung beteiligt.
• Du kannst unterstützen, indem du darauf achtest, was der aktuelle Reha-Plan ist, und mit dem Team
zusammenarbeitest.
5. Emotionale Unterstützung
• Viele LIS-Patienten (auch in Besserung) kämpfen mit Ängsten, Depressionen oder posttraumatischen Belastungen.
• Zuhören und einfach da sein ist oft mehr wert als jede spezielle Technik.
Was ist Reizüberflutung?
Reizüberflutung bedeutet:
Zu viele Eindrücke auf einmal – z. B. Licht, Geräusche, Gespräche, Berührungen oder Bewegungen.
Das Gehirn kann nicht alles verarbeiten, und das macht Stress.
Was passiert bei Reizüberflutung?
Bei Menschen mit Locked-in-Syndrom (LIS) ist das Gehirn oft sehr empfindlich.
Obwohl sie klar denken können, kann ihr Körper nicht gut reagieren oder sich schützen – z. B. weglaufen, „Stopp“ sagen oder sich abwenden.
Wenn zu viel auf einmal passiert, fühlen sie sich:
• überfordert
• gestresst
• ängstlich oder panisch
• manchmal wirken sie auch „abwesend“ oder ziehen sich zurück
Woran erkennst du Reizüberflutung?
Auch wenn sie nicht gut sprechen oder sich bewegen können, gibt es Anzeichen:
• Blick wird unruhig oder sie schließen die Augen
• Veränderte Atmung (schneller oder stockend)
• Schweiß, Zittern
• Unruhe oder starker Rückzug
• Sie reagieren plötzlich gar nicht mehr
Was kannst du tun?
1. Umgebung ruhig halten
• Kein lauter Fernseher oder Radio im Hintergrund
• Nicht zu viele Leute gleichzeitig im Raum
• Leise und deutlich sprechen
2. Nur ein Reiz auf einmal
• Erst ansprechen – dann anfassen
• Keine hektischen Bewegungen
• Nur eine Person redet gleichzeitig
3. Pausen geben
• Nach Reizen wie Pflege, Gespräch oder Therapie: kurze Ruhephase
• Auch gute Reize (Besuch, Musik) können zu viel sein
4. Rituale und Wiederholungen
• Gleicher Ablauf gibt Sicherheit
• Bekannte Stimmen und feste Strukturen helfen beim Verarbeiten
5. Beobachten und ernst nehmen
• Wenn du merkst, dass etwas zu viel wird: Reiz reduzieren
• Lieber früher abbrechen als zu spät
INITIATORIN DER SELBSTHILFEGRUPPE
Jacqueline Janke
ist Betroffene des Locked-In-Syndroms.
Sie bietet Ihre Hilfe anderen Betroffenen, deren Angehörigen und Interessierten an.
Frau Janke unterstützt Sie vor Ort im Krankenhaus, in REHA-Einrichtungen oder zu Hause. Sie ist auch für beratende Telefongespräche, Beantwortung Ihrer Fragen, allgemeine Aufmunterung, Zuspruch und Hoffnungsgebung da.
Darüber hinaus gibt Frau Janke gern ihr Fachwissen in Informationsveranstaltungen, Fortbildungen, Schulungen von Pflegepersonal und auf Fachkongressen weiter.
Wir rufen alle hierfür in Frage kommenden Institutionen auf, davon Gebrauch zu machen und Frau Janke einzuladen.
Frau Janke ist durch ihr positives Beispiel für eine gelingende Gesundung eines ehemaligen LIS-Patienten hierfür besonders prädestiniert.
![]() |
Frau Janke hat ihren Unfall, ihre Krankheit, ihren immer noch währenden Genesungsvorgang, ihre Emanzipation von dieser Krankheit und ihre neue Identitätsfindung auch als Künstlerin in ihrem Buch „Zwischen Himmel und Erde“ dokumentiert. (SuL-Verlag 2005, ISBN 978-3-9815151-0-7) In diesem Buch findet sich auch ein allgemeinverständliches ausführliches neurologisches Fachglossar, dass von Frau Janke in Zusammenarbeit mit Frau Dr. Renate Richter zusammengestellt wurde. |
Mehr zum Locked-In-Syndrom:
LIS Berlin
www.locked-in-syndrom.org
Georg Claus
www.tettricks.de
Mehr zu Jacqueline Janke
www.jajanke.de
Weitere Links
www.hirnverletzte-hilfe.de
NDR Mediathek - Schlaganfall: Kampf für Hilfe und Unterstützung
NDR Mediathek - Schlaganfall: Was hilft bei Locked-In-Syndrom?
IMPRESSUM:
Jacqueline Janke
Max-Brauer-Allee 127/Hs.10
22765 Hamburg
Tel: 040/5605079 (Anrufbeantworter startet nach 7x klingeln)
jajanke@gmx.de
www.lis-hamburg.de
Web-Design:
Torsten Mächtel/Teer